Max Renneberg hat im Foodbereich gegründet, eine Software-Firma und Dropshipping hat er auch schon gemacht. Jetzt setzt er auf Longevity. Bald eröffnet Kalia Lab eine Beauty-Klinik in Berlin.
Und so verjüngt sich auch Berlin: Nach etlichen Jahren Brache und Baustelle erwacht Mitten in Mitte, zwischen Friedrich- und Oranienburgerstraße, ein neues Stadtquartier. Am Tacheles, heißt das. Allererste Sahne. Die Stararchitekten Herzog & de Meuron waren am Werk, Grüntuch Ernst und Brandlhuber+ Muck Petzet auch. Teilweise sind Büros entstanden, Google und Netflix werden demnächst einziehen, der Pharma-Konzern Pfizer ist schon da. Dazu exquisite Wohnungen, laut Engel & Völkers kosten die ab 17.000 Euro pro Quadratmeter. Am Eingang findet sich eine „Japanese Bakery“, daneben ist der „The Dry Gin Beef Club“.
Und bald wird in einem der Innenhöfe das Kalia Lab in zwölf Behandlungszimmern seine … Ja, wen wird es denn empfangen? Kunden oder Patienten, das Wording stehe noch nicht fest, sagt Max Renneberg und lächelt entwaffnend. Tatsächlich ist das der zentrale Punkt, der Grund, warum er glaubt, dass das Kalia Lab ein großer Erfolg werden wird: Es ist nämlich weder eine sterile Schönheits-Klinik mit Patienten, noch ein larifari Beautysalon mit Kundinnen. Sondern etwas Eigenes. So erklärt Renneberg das „Skin Longevity Startup“.
Alles in einem: Beauty, Health, Longevity
„Schönheit und Gesundheit gehen Hand in Hand“, sagt Renneberg an einer Stelle des Gesprächs bei einer Tasse Macha Latte in der japanischen Bäckerei in Mitte. Und „Gesundheit in Kombination mit Schönheit wird zu Skin Longevity“ an einer anderen. Beauty. Health. Longevity. Die drei Worte prangen auch auf der Homepage von Kalia Lab.
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„Longevity ist aktuell noch ein Buzzword“, gesteht der Gründer. „Ich wehre mich eigentlich gegen Buzzwords, aber im Fundraising sind diese schon hilfreich als Türöffner.“ Immerhin ist es Renneberg und seinem Co-Gründer so gerade gelungen, 3,9 Millionen Euro Seed-Finanzierung unter anderem von Tengelmann Ventures und YZR Capital, dem Healthtech-VC des Teleclinic-Gründers Reinhard Meier, einzufahren. Damit soll die Beauty-Klinik-Kette expandieren. Am Ballindamm in Hamburg praktizieren bereits seit knapp einem Jahr Ärzte im dortigen Kalia Lab, in Berlin wird ab Mai 2024 behandelt. Weitere mögliche Standorte seien Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Stuttgart.
Botox, klar. Und darf es noch was sein?
Wer in das Kalia Lab kommt, hat etwas gegen das Älterwerden. Jünger und schöner möchte man aussehen und sich möglicherweise auch fühlen. Ärzte, so wie Rennebergs Mitgründer Dr. Constantin Weil von der Ahe, ein plastischer Chirurg, medizinisches Personal und Kosmetikerinnen bieten verschiedene Lösungen an: Botox, Hyaluron Filler, Kollagen-Booster, CO₂-Laser, Radiofrequenz-Microneedling, Eigenbluttherapie (PRP) oder NAD+-Infusionen. Wobei Botox und Hyaluron, wie Renneberg sagt, „nur die Quickfixes“ sind. Klar, Botox – das wirkt. „Aber dann fragen wir: Was können wir für lang anhaltende Schönheit tun?“, so Renneberg.
Der Kern von Kalia sei ein medizinisch-ganzheitlicher Ansatz. Funktioniere, erklärt Renneberg, indem man Kunden berät: Wie wäre es denn, neben dem schnell gemachten Botox mal mit einer zellverjüngende NAD+-Infusionen? Und wenn wir schon einen Zugang gelegt haben, könnten wir auch gleich Blut abnehmen für ein großes Blutbild, individuell ausgewertet. Und dann wäre möglicherweise eine PRP (Platelet-Rich Plasma) oder auch „Eigenblut“-Therapie ein sinnvoller weiterer Schritt, nennt sich auch „Vampire Lifting“. Man könne Kundinnen und Kunden „rübernudgen“, wie Rennebarg sagt, sanft anstupsen und zum nächsten Thema bringen. Von Schönheit zu Gesundheit – das eine hängt ja ohnehin mit dem anderem zusammen. Und so können auch größere Treatmentpakete angeboten werden.
„Schönheit ist der niedrigschwellige Zugang zu Gesundheitsthemen“, sagt Renneberg, „ein Evergreen mit instant gratification.“ Damit könne man schnell eine Vertrauensbasis schaffen, um dann Aufmerksamkeit für Gesundheit zu schaffen. Damit sieht er sich etwa gegenüber Bluttest-Startups wie Aware von Seriengründer Florian Meissner im Vorteil.
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Vorteil: Kein Healthtech-Startup
Man hört ihm an, dass er sich eingehend mit dem Healthtech-Bereich beschäftigt hat, lange referiert Renneberg über die immensen Hürden, die ein Vorankommen in Deutschland schier unmöglich machen. Er hatte Zeit, sich das genau anzuschauen, als er in den vergangenen Jahren „rumgeangelt“ hat, wie er sagt, also Vollzeit Business Angel war. Max Renneberg kann auf ein bewegtes Gründerleben mit mehreren Exits zurückblicken, die dieses „Rumangeln“ möglich gemacht haben.
Nach seinem Studium an der WHU gründete Renneberg 2007 Esanum, eine Plattform für Ärzte. Es investierte der European Founders Fund der Samwers. „Regelmäßig um Acht Oli Samwer am Telefon, da bist du erstmal wach“, lacht Renneberg. 2009 gründete er in Berlin das Kochhaus, ein damals einzigartiges Konzept – ein Laden, in dem man rezeptweise einkaufen konnte, alle Zutaten vorportioniert. Quasi HelloFresh in analog. Und vor HelloFresh. Nach zwei Läden in Berlin expandierte das Konzept nach Hamburg – allerdings ohne Renneberg. Er startete ein Software-Startup im Bereich Onlinemarketing, verkaufte an eine Agentur und stieg dann mit Startup Nummer Vier ins Dropshipping-Businss ein. Factory Market sollte ein Copycat des chinesischen Onlinehändlers Wish sein, sagt er. Mit stationärem Handel. Index, Cherry und La Famiglia investierten, 2019 verkauft Renneberg an die österreichische Mutterfirma von McGeiz.
Vom Business Angel zurück ins Operative
Und jetzt will er es operativ wieder wissen, Gründung Nummer Fünf also. Wieder, wie das Kochhaus damals, ein „brick and mortar“-Business, sagt er. Das mögen Investoren ja eigentlich nicht so sehr. Wenn doppelter Umsatz doppelte Anzahl der Standorte bedeutet, seien die raus. Gut, dass man im Beauty-Segment „ein profitables Grundrauschen“ erzeugen könne, die Hamburger Klinik lief bisher ohne Investoren.
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Trotzdem: Jetzt braucht er erstmal Geld für Marketing. Instagram und Influencer seien natürlich enorm wichtig. Tiktok aber auch, besonders, wenn man bedenkt, dass das Durchschnittsalter der Kalia Lab Kundinnen aktuell bei 33 Jahren liegt. Jünger, als man annehmen würde. Sei aber ein Trend, erklärt Renneberg, in den USA schon ganz deutlich. Botox und andere Mittel gegen Falten würden mehr und mehr „präventiv“ eingesetzt.
Das passt gut zur Value Proposition von Kalia Lab: „Du kommst zu uns und siehst danach nicht anders aus, sondern einfach frischer und erholter“, sagt Renneberg. „Keiner wird fragen: Hast du etwas machen lassen? Sondern: Oh, warst du im Urlaub?“ Nein, eigentlich nur einen Nachmittag in Berlin-Mittes jüngstem Edelkiez.